Opti bei Regatta vom Blitz getroffen – was lernen wir daraus?

Wir waren am 8. Juni 2013 zum 1. Lauf zum Sächsischen Pokal im Jollenmehrkampf am Quitzdorfer Stausee in Kollm in der Lausitz. Mein Sohn Luca sollte hier zu seiner ersten Regatta in einem Opti seines Teams vom Seesportclub Dresden e.V. starten. Hier hatte auch ich vor Jahren Segeln gelernt und freute mich daher, wenigstens als Helfer mit dabei zu sein. Das Wetter meinte es gut mit uns und so hatten wir die Boote schon am Freitagabend aufgetakelt und ein paar Reparaturen erledigt. Die Organisatoren vom Segelzentrum in Kollm hatten wirklich ihr Bestes gegeben, so dass wir uns rundum wohl gefühlt haben. Alle freuten sich auf einen spannenden Wettkampf und natürlich das Segeln.

Am Samstagvormittag war dann zwar schönster Sonnenschein, aber einfach kein Wind zum Segeln. Also standen zunächst die Landdisziplinen mit Knotenbahn und Wurfleine auf dem Programm. Alle warten sehnsüchtig auf mehr Wind. Als dieser dann am Nachmittag endlich aufkam wurden die Boote zu Wasser gelassen. Gegen 15:45 machten sich die Segler auf den Weg zur etwas entfernten Regattastrecke.


Die an Land zurückgebliebenen Eltern waren ein wenig neidisch auf die Kinder. Ich wäre am liebsten mitgesegelt. Der Blick in den Wetterbericht im Internet zeigte, dass später noch Gewitter zu erwarten seien. Die Haufenwolken am Himmel gaben eine gewisse Vorahnung, aber noch war nichts zu sehen. Als wir uns den Weg machten, um die Regatta von der gegenüberliegenden Staumauer aus zu beobachten, wurde eine graue Wolkenwand am Horizont sichtbar.
Die Regatta begann trotz des nahenden Gewitters
Angekommen auf der Staumauer sahen wir bereits, wie die jungen Segler ordentlich mit dem aufbrausenden Wind zu kämpfen hatten. In einiger Entfernung waren erste Blitze zu sehen. Und jetzt begann es auch noch heftig zu regnen. Trotz des Regens und des starken Windes mit heftigen Böen legten die Jungs und Mädels in ihren Optis und auch die Großen auf den Ixylons sich voll ins Zeug. Dann wurde der Regen zum Wolkenbruch. Gleichzeitig kam das Gewitter immer näher. Blitze waren jetzt auf beiden Seiten des Stausees zu sehen. Bange Gedanken kamen auf: Hoffentlich kentert niemand. Jetzt müsste man doch eigentlich abbrechen. Der ortskundige Kommentator der Regatta rief der Wettfahrtleitung durch den Lautsprecher sinngemäß zu: „Die Regatta abbrechen, jetzt!“

Wir machten uns trotz des nun sehr starken Regens auf den Rückweg, denn wir würden ja bald die Kinder mit ihren Optis am Strand in Empfang nehmen müssen. Noch ein banger Blick durchs Fernglas über den See: „Wo ist das Segel mit der Nummer 1219? OK, der Junge hält sich wacker. Und jetzt ist das Feld an der Tonne, wird abgebrochen? Nein, die Regatta wird fortgesetzt!“ Das Gewitter schien sich außen um die Talsperre herum zu bewegen. Aber Blitz und Donner kamen nun aus verschiedenen Richtungen.
Der Blitz schlug mitten auf dem See ein
Zurück am Strand gingen bange Blicke hinaus auf den See. Aufgrund des Starkregens war kaum ein Boot richtig zu erkennen. Plötzlich der laute Blitzeinschlag aus Richtung Stausee und der Gedanke: hoffentlich ist niemandem etwas passiert! Wir warteten weiter im Regen und sahen dann, dass zwei Optis vom Trainerboot zurückgeschleppt wurden. Am Steg dann der Schock: der Blitz war in das Boot meines Sohnes Luca eingeschlagen! Jetzt lag er zitternd auf dem Boden im Trainerboot. Er hat großes Glück gehabt. Er lebt, war bei Bewusstsein, fror und stand ziemlich unter Schock. So schnell es ging habe ich ihn unter einen Pavillon ins Trockene gebracht. Wer in der Nähe war hat geholfen, ihn auszuziehen, zu wärmen und zu trösten. Dafür an dieser Stelle nochmals vielen Dank an alle Helfer!
Minuten später ging es mit dem bereits vom Wasser aus gerufenen Rettungswagen ins Krankenhaus nach Görlitz. Mit Erleichterung konnten wir feststellen, dass es keine Verletzungen gab und auch das EKG keinen Grund zu Besorgnis bot. Nach einiger Zeit klärt sich auch auf, warum beide Hände so besorgniserregend violett aussahen – lediglich die Segelhandschuhe hatten durch die Nässe abgefärbt. Noch im Krankenhaus bekamen wir gleich zweimal Besuch von der Polizei, die dem Vorfall nachgeht. Nach zwei Tagen Überwachung und bester Fürsorge im Krankenhaus ging es meinem Sohn dann wieder richtig gut. Mit der Erleichterung kommt auch die Erkenntnis, wieviel Glück im Unglück er hatte. Auch die Anteilnahme, guten Wünsche und ganz praktische Unterstützung der Kameraden aus dem Verein haben ihm sehr gut getan.
Was war eigentlich auf dem Wasser passiert?
Nach dem Zieldurchlauf befanden sich die Optis wieder auf dem Rückweg. Den Wind im Rücken saßen die kleinen Segler völlig durchnässt in ihren Booten, den abflauenden Wind im Rücken, die eine Hand an der Schot, die andere an der Pinne. Einige müssen paddeln.
Dann schlug der Blitz ein. Mein Sohn erinnert sich daran so: „Es gab einen lauten Knall. Ich wurde nach hinten geworfen. Meine Händen waren fest verkrampft und ich konnte sie nicht bewegen. Dann habe ich um Hilfe geschrien. Ich dachte, ich muss sterben. Dann kam zum Glück schnell das Motorboot.“
Die Bojen-Wache hatte aus kurzer Entfernung den Einschlag beobachtet und konnte sofort im Motorboot zu Hilfe eilen. Die beiden Männer, darunter der Trainer unseres Vereins, waren erleichtert als der Junge im Opti um Hilfe ruft – er lebt! Schnell konnte er an Bord des Motorbotes genommen und in die stabile Seitenlage auf den Boden gelegt werden. Ein Mädchen, das den Einschlag auch aus nächster Nähe gesehen hatte wurde verängstigt mit an Bord genommen. Nach wenigen Minuten Fahrt erreichten sie den Bootsteg. Während die einen sich um den Jungen kümmerten halfen die anderen den verbleibenden Optis an Land. Später erfuhren wir, dass auch ein weiterer junger Opti-Segler beim Paddeln und auch Ixylon-Segler über die Wanten einen Schlag abbekommen hatten, der vom Blitzeinschlag herrührte.
Das Boot – ein Totalschaden
Den Opti hatten Kinder und Erwachsene des Vereins in den Wochen vor der Regatta mühsam aufbereitet, abgeschliffen, neu lackiert und in seiner Ausrüstung verbessert. Nun ist das Boot ein Totalschaden – aber zum Glück eben nur das Boot!
Der Blitz hatte offenbar an der höchsten Stelle in den Sprietbaum eingeschlagen und ging durch den Mast nach unten, der von Löchern durchsiebt ist. Unterhalb des Mastfußes klafft nun ein 30 cm langer Durchbruch im Boden des Rumpfes. Im Inneren des GFKs sind Verschmelzungen zu sehen, die möglicherweise durch den ganzen Bootskörper bis ans Heck hindurch gehen. Kleine Löcher weisen auf Austritte des Blitzes hin. Das Mädchen im nachfolgenden Boot hatte auch Funken am Ruder gesehen. Der neue weiße Lack am Rumpf ist von grauen Schmierspuren überzogen, die fest eingebrannt sind, als ob das Wasser rundherum gekocht hat. Die Männer von der Bojenwache hatten nach dem Blitzeinschlag auch eine Wasserdampfwolke beobachtet. Einige deutlich größere Ixylon-Jollen waren in etwas Entfernung auf dem Wasser. Der Blitz hatte sich also eben nicht den höchsten Mast ausgesucht.
Was lernen wir aus diesem Vorfall?
Nachdem der erste große Schreck vorbei ist, kommen ernste Fragen auf:
- Warum wurde trotz Gewitterwarnung und erster Anzeichen am Himmel überhaupt gesegelt?
- Warum wurde die Wettfahrt gestartet, obwohl bereits mit Blitz und Donner das Gewitter in einiger Entfernung eindeutig erkennbar war?
- Warum wurde die Regatta nicht abgebrochen, als das Gewitter bedrohlich näher kam?
- Warum wurden die Kinder in ihren Optis nach dem Ende der Wettfahrt nicht zügig zurückgeschleppt?
- Zu welchem Zeitpunkt hätten man eine Entscheidung tatsächlich treffen müssen?
- Wo war das schnelle Rettungsboot des DLRG, das am Mittag noch auf dem Wasser war, zum Zeitpunkt der Wettfahrt?
- Was wäre passiert, wenn zum Zeitpunkt des Blitzeinschlags Boote gekentert und Segler in nächster Nähe im Wasser gewesen wären?
- Was wäre passiert, wenn der Junge sich beim Einschlag des Blitzes näher am Mast gewesen wäre, z.B. um das Ösfass zum Schöpfen zu holen?
Die ersten dieser Fragen haben wir uns schon gestellt, als wir die Regatta noch vom Strand aus beobachtet haben. Es soll hier nicht um Verurteilung gehen. Hinterher ist man bekanntlich immer klüger und Entscheidungen treffen sich in der Praxis auf dem Wasser immer schwerer als daheim am Schreibtisch. Alle Beteiligten sind heute glücklich, dass niemand ernstlich zu Schaden gekommen ist. Und ja, ich gebe zu, ich selbst wäre mit meinem eigenen Boot an diesem Nachmittag Segeln gegangen, zumindest bis das Gewitter sichtbar geworden ist. Aus meiner Sicht sollte dieser Vorfall jedoch Anlass genug sein, um über verbindliche Verhaltensregeln für Regatten bei kritischer Witterung zu diskutieren. Die Landes- und Bundesverbände des See- und Segelsports haben hier aus meiner Sicht nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern vor allem auch eine gute Einflussmöglichkeit, mit Aufklärung und verbindlichen Verhaltensregeln bei kritischen Wetterbedingungen für mehr Sicherheit bei Regatten – insbesondere mit Kindern – zu sorgen. Dieser Bericht beschreibt daher das Geschehen aus meiner persönlichen Wahrnehmung in der Hoffnung, dazu ein wenig beitragen zu können.
Das Team der Ausbilder unseres Vereins hat bereits jetzt Konsequenzen aus dem Vorfall von vor einer Woche gezogen und beschlossen, bei Vereinsveranstaltungen in Zukunft einen Wettercheck zu protokollieren. In kritischen Wettersituationen soll so die Entscheidung für die Übungsleiter erleichtert werden. Sicherheit soll damit vor sportlichem Ehrgeiz gehen und nach Möglichkeit sollen Entscheidungen nicht nur von Einzelpersonen getroffen werden. Das ist gut so!
Ergänzungen:
- Bericht bei Spiegel online: „Segelunfall: Luca, 12, wird vom Blitz getroffen„
- Bericht in der Sächsischen Zeitung: „Zwölfjähriger überlebt Blitzeinschlag im Segelboot„
- Bericht im Sächsischen Boten: „Als ein Blitz seine Jolle traf„